Höhere Abfindung durch Geltendmachung datenschutzrechtlicher Ansprüche?
Nach einer Kündigung versuchen Beschäftigte, zumindest eine hohe Abfindung auszuhandeln und bringen den Auskunftsanspruch der DSGVO ins Spiel im Rahmen einer Kündigungsschutzklage. Doch wann werden die Grenzen zum Rechtsmissbrauch überschritten?
Bei Arbeitsgerichtsprozessen gestalten sich die Erfolgsaussichten für die jeweiligen Parteien meist (subjektiv) sehr unterschiedlich. Zumeist möchten die Parteien – sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber – das Arbeitsverhältnis unter keinen Umständen fortführen, weshalb in einem Gütetermin über eine datierte Beendigung unter Zahlung einer Abfindung verhandelt wird. Knackpunkt dabei ist jedoch meist die Höhe der Abfindung. Die Abfindung fällt für Arbeitnehmer häufig weniger lukrativ aus, wenn der Arbeitgeber seine Risiken als kalkulierbar beurteilt. Akzeptiert der Arbeitgeber also die – häufig überhöhte – Forderung des Arbeitnehmers nicht, wird von diesen der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DS-GVO geltend gemacht. Ziel ist es neben der überhöhten Abfindung, wertvolle Informationen, die einer Kündigung entgegenstanden, von dem alten Arbeitgeber zu erhalten. Wichtig ist auch für den anwaltlichen Vertreter zu erfahren, ob der Arbeitgeber weitere Verfahren gegen den Arbeitnehmer eingeleitet hat (z.B. ein Strafverfahren oder eine Mitteilung an Aufsichtsbehörden).
Gemäß Art. 15 DS-GVO haben Beschäftigte , auch ehemalige Beschäftigte, einen Anspruch auf Auskunft über die über sie gespeicherten Daten. Dieser kann dem Arbeitgeber bzw. dessen Unternehmen viel Arbeit bereiten. Die Erteilung einer ordnungsgemäßen Auskunft stellt für den Arbeitgeber einen nicht zu unterschätzenden Aufwand und auch ein finanzielles Risiko dar. Zum einen muss die Auskunft formell und inhaltlich den Anforderungen der DS-GVO entsprechen. Zum anderen drohen bei einem Verstoß wegen fehlerhafter oder nicht erfolgter Auskunftserteilung behördliche Bußgelder und Schadensersatzansprüche.
Doch welche Grenzen sind bei der Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 15 DS-GVO im Rahmen von arbeitsrechtlichen Prozessen zu ziehen?
Bisher kann zu diesem Thema noch auf keine höchstrichterliche Rechtssprechung zurückgegriffen werden. Lediglich das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sich zu dieser Frage positioniert. Es stellt darauf ab, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Aufwand hinsichtlich der Erfüllung des Auskunftsanspruchs in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Arbeitnehmers stehen kann. Die Entscheidung zur Ablehnung eines solchen Anspruchs wurde insbesondere auf den auch im Europarecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben gestützt. Dem Arbeitgeber wird so kein unverhältnismäßiger Aufwand abverlangt, um den Anspruch zu erfüllen.
Zu Berücksichtigen ist jedoch auch Art. 12 Abs. 5 S.2 DS-GVO, welcher eine Missbrauchsgrenze bei der Geltendmachung der Ansprüche aufweist – auch wenn die konkrete Ausgestaltung noch nicht geklärt ist. Voraussetzung hierfür ist zum einen ein sehr enger zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang zum Kündigungsschutzverfahren. Zum anderen müssen weitere offensichtliche Begleitumstände hinzutreten, die die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs durch den Arbeitnehmer als rechtsmissbräuchlich erkennen lassen. Wenn jedoch eine Verknüpfung zwischen Auskunft des Anspruchs und der Forderung einer überhöhten Abfindung besteht, dürfe dies meist unproblematisch gegeben sein.
Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs entspricht nicht dem eigentlichen Zweck, wenn der Arbeitnehmer nur auf die Geltendmachung verzichtet, wenn er die erkennbar überhöhte Abfindung erhält – dies ist vielmehr als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Der Rechtsmissbrauchseinwand sollte die Arbeitgeberseite auch davor schützen, dass ein Bußgeldverfahren mit den sehr hohen und empfindlichen Sanktionen eingeleitet wird. Es wäre daher sinnvoll, jedem Prüfverfahren eine Missbrauchskontrolle voran zu stellen.
Die Arbeitnehmer können jedoch auch durch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ihre Abfindung „aufbessern“. Zuletzt hat das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 05.03.2020, Az. 9 Ca 6557/18) entschieden, dass dem Arbeitnehmer bei einer verspäteten und unrichtig erteilten Auskunft ein Schadensersatzanspruch für die ersten zwei Monate Verspätung von jeweils 500,00 €, für die weiteren Monate Verspätung von jeweils 1.000 € sowie pro inhaltlichem Mangel jeweils 500,00 €, mithin in dem Fall 5.000,00 € insgesamt, zustehen. Das ArbG Düsseldorf hatte den Auskunftsanspruch teilweise abgewiesen, Schadensersatz hat der ehemalige Mitarbeiter allerdings bekommen. Dies, weil der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen nach der DSGVO unvollständig und nicht in der vorgesehenen Frist von einem Monat nachgekommen war.
Der Auskunftsanspruch kann jedoch auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Angaben von besonderen Gründen gelten gemacht werden. Empfehlenswert ist es daher, den Auskunftsanspruch direkt in einem Vergleich bzw. In einem Aufhebungsvertrag mit einem Verzicht mit Wirkung für die Zukunft zu regeln. Die Betroffenen können so im Rahmen der Einwilligung über ihre Rechte disponieren. Ob ein solcher Verzicht zulässig ist, ist bisher weder in der Rechtssprechung noch in der Literatur diskutiert worden und auch von einer Aufsichtsbehörde noch nicht entschieden worden.